Runibergun – Teil 2: Die Hinterlist der Sachsen
Als die Thüringer das Lager der Sachsen sahen, waren sie erbost und fühlten sich schmählich betrogen. Sofort sandten sie Boten zu den Franken.
„Ihr habt den Frieden gebrochen und den Vertrag verletzt“ sagten sie voller Grimm.
„Nein“, antworteten ihnen die Sachsen, „wir haben den Vertrag unverbrüchlich eingehalten.“
„Aber ihr siedelt auf unserem Land!“ erwiderten die Thüringer erneut.
„Nein! Wir siedeln auf unserem Land, denn einer von euch verkaufte es uns für viel Gold!“ Hierauf verfluchten die Thüringer den, den sie noch vor kurzem wegen seines Handels gelobt hatten.
Die Sachsen aber wollten ihr neuerworbenes Land behalten. Ja sie schworen, es wenn nötig mit Waffengewalt zu verteidigen.
Kurze Zeit später stürmten die Thüringer ohne Ordnung und in blinder Wut auf das Lager der Sachsen los. Diese, zum äußersten Widerstand entschlossen, wehrten den Angriff der Heranstürmenden erfolgreich ab. Nach altem Kriegsrecht nahmen die Sachsen nun auch das Land ringsumher in ihren Besitz. Nach langem Kampf besiegt und zurückgeworfen, erkannten die Thüringer, daß ihnen die Sachsen überlegen waren. Deshalb schickten sie Unterhändler, die eine Zusammenkunft beider Parteien ohne Waffen forderten. Bei diesem Treffen sollte erneut über den Frieden verhandelt werden. Endlich bestimmten die Unterhändler der Thüringer Ort und Tag der Verhandlung. Nach kurzer Beratung versprachen die Sachsen, dem Wunsch der Thüringer nachzukommen.
Nun waren damals bei den Sachsen große Messer üblich, wie sie die Angeln nach altem Stammesbrauch noch im 10. Jahrhundert trugen. Diese Art von Messer nannten sie Sax. Sie versteckten die Mordwehren unter ihren Gewändern und zogen den Thüringern zu dem festgesetzten Ort entgegen.
Als sie sahen, daß die Thüringer ohne Waffen kamen und alle ihre Fürsten anwesend waren, hielten sie die Zeit für günstig, sich der ganzen Gegend zu bemächtigen. Urplötzlich zogen sie ihre Messer hervor, stürzten sich auf die Wehrlosen und Überraschten und stießen alle nieder, so daß nicht einer der Thüringer überlebte.
Widukind von Corvey schreibt weiter, und hieran merkt man ganz deutlich, in wessen Auftrag er seine „Sachsengeschichte“ verfaßte:
Damit fingen die Sachsen an, bekannt zu werden und den benachbarten Stämmen einen gewaltigen Schrecken einzujagen. Einige behaupteten auch, daß sie von dieser Tat ihren Namen bekommen hätten, denn Messer heißen in unserer Sprache Sax. Deshalb seien Sachsen genannt worden, weil sie mit ihren Messern eine solche Menge Menschen niedergehauen hätten.