Runibergun – Teil 1: Vom Ursprung und der Herkunft der Thüringer
Meine lieben Leserinnen und Leser! Heute beginne ich eine neue Rubrik namens Runibergun. Dabei handelt es sich um Leseproben eines kleinen Werkes, welches als Kinder- und Jugendbuch erscheinen soll. Viel Freude beim Lesen!

Hermunduri beim Kampftraining auf der Funkenburg
Die ersten Thüringer sollen im Norden, in der Nähe eines Ortes namens Hadeln gelebt haben. Dieser lag an der Elbmündung, südöstlich des heutigen Hamburg.
Einst, so erzählt es Widukind von Corvey in seiner Sachsengeschichte, landeten die Sachsen mit Schiffen in dieser Gegend. Aber den Thüringern gefiel dies gar nicht und sie ergriffen ihre Waffen und leisteten den Eindringlingen Widerstand. Doch die Sachsen behaupteten ihren Landungsplatz und den Hafen. Nachdem man nun lange und erbittert gegeneinander gekämpft hatte, wobei viele der Sachsen und Thüringer ihr Leben verloren hatten, beschlossen beide Streitparteien in Friedensverhandlungen zu treten und einen Vertrag zu schließen. Man schloß den Vertrag unter der Bedingung, daß die Sachsen kaufen und verkaufen dürften, sich jedoch der Ländereien enthalten sollten. Auch morden und rauben sollten sie unterlassen. Dieser Vertrag wurde von beiden Seiten viele Tage eingehalten. Dann aber ging den Sachsen das Geld aus. Nun konnten sie nichts mehr kaufen. Zu verkaufen hatten sie ebenfalls nichts mehr. Also meinten sie, der Frieden mit den Thüringern sei nun nutzlos für sie.
Da begab es sich, daß ein junger Sachse, geschmückt mit einer goldenen Kette und goldenen Spangen die sächsischen Schiffe verließ. Ein Thüringer trat im in den Weg und fragte überrascht: „Wozu hast du eine so große Menge Gold um deinen abgezehrten Hals?“ „Ich suche einen Käufer für mein Gold, deshalb trage ich es. Was nützt mir das ganze Gold, wenn ich nichts zu essen habe?“
Der Thüringer war erstaunt. Er fragte den jungen Mann weiter: „Was sollen denn die Spangen kosten?“ Worauf ihm der Sachse antwortete: „Der Preis ist mir egal. Was du mir gibst nehme ich gern.“ „Wie wäre es“, fragte der Thüringer voller Hohn, „wenn ich dein Gewand mit diesem Staub hier fülle?“ und er zeigte auf einen Erdhaufen, der neben dem Sachsen lag.
Der so höhnisch Angesprochene hob sogleich sein Gewand, bedeutete dem Thüringer dieses mit Erde zu füllen und gab ihm, nachdem er die Erde erhalten hatte, das ausgemachte Gold.
Nun eilten beide mit frohen Mienen und lachenden Gesichtern zu ihren Leuten zurück. Die Thüringer empfingen den Ihrigen mit großen Lobesworten und hoben ihn gar in den Himmel. Sie freuten sich ausgelassen, daß er die Sachsen mit einer so edlen Gaunerei betrogen habe. Ja, sie hielten ihn für einen glücklichen Menschen, da er zu einem Spottpreis in den Besitz des herrlichen Goldes gekommen war. Und schon glaubten die Thüringer über die Sachsen zu triumphieren.
Inzwischen näherte sich der junge Sachse mit der Erde im Gewand den Schiffen seiner Gefährten. Als einige von denen ihm entgegen gingen, begannen sie ausgelassen zu lachen. „Was bist du für ein tumber Thor“ fragte der eine, „Hast du etwa dein ganzes Gold gegen diese Erde eingetauscht?“ Ein Anderer schalt ihn sogar. „Du bist ein Dummkopf sondergleichen!“ Und wieder ein Anderer rief: „Mit dieser Kriegslist wirst du noch berühmt im Stamm der Sachsen werden!“
„Lacht nicht, Gefährten, folgt mir lieber, und seht welch großen Nutzen meine Narretei für euch noch haben wird.“ Ungläubig und kopfschüttelnd folgten die Sachsen ihrem Stammesmitglied. Dieser griff nun in sein Gewand, nahm die Erde heraus und verstreute sie dünn auf einem Feld. Dann setzte er sich darauf und erklärte mit fester Stimme: „Dieses Stück Erde soll fortan mein Lagerplatz sein.“