Runibergun – Teil 4: Runibergun und Scithingi
Die Vernichtung Thüringens vollzog sich in zwei kurz hintereinander folgenden Akten, vielleicht spielte sich der Untergang in wenigen Stunden ab. Bei Gregor beginnt und endet das ganze Drama an der Unstrut. Dort müssen wir auch die Örtlichkeiten suchen. Widukind gibt diese beiden Orte an: Runibergun und Scithingi.

Runibergun - 1. Coverentwurf von Steffen Grosser
Seit Menschengedenken suchen Chronisten und Historiker Runibergun, jenen legendären Schlachtenort, wo die Thüringer in einer Dreitagesschlacht gegen die Franken unterlagen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Scithingi, wenngleich sich die frühen Forscher aufgrund des Namens einig waren, hierin Burg Scheidungen an der Unstrut zu sehen. Aber: die Thüringer des 6. Jahrhunderts bauten keine Burgen! Das wissen die Archäologen ganz genau. Scithingi/Burg Scheidungen stammt aus viel jüngerer Zeit. Also nur eine Erfindung des Sachsen Widukind, der mit dem Kampf um die Burg Scithingi und deren Eroberung durch die Sachsen seine Erzählung vom Untergang der Thüringer „ausschmückte“? Genau wie Runibergun? Wieder stehen wir vor einem Rätsel.
Erstmalig ist es der Eisenacher Chronist Johannes Rothe (um 1360-1434), der in seiner 1418/19 verfaßten Landeschronik den legendären Schlachtenort an den Weißen See (heute Weißensee) verlegt. Doch sicher war er sich nicht. Viele folgten ihm in dieser Überlegung jedoch oder schrieben sein Werk einfach ab, wie der Erfurter Chronist Konrad Stolle (1436-1501). Schließlich beschäftigte sich auch der angesehene Jenaer Landeshistoriker Caspar Sagittarius (1643-1694) zu den Arbeiten an seinem Geschichtswerk „Antiquitates regni Thuringici“ (1685) mit der Verlegung der Schlacht bei Runibergun nach Weißensee. In den folgenden Jahrhunderten kam es dann zu einer Übertragung des Namens Runibergun auf die Burg in Weißensee, woher der heute in alter Tradition stehende Name Runneburg herrührt. Hinzu kommt, daß der runde Grundriß der Runneburg als die Runde Burg gedeutet wurde.
Eine der vielen Forschungsaufgaben, die sich der Archäologe Thomas Stolle, der mit dem Runneburgverein Weißensee/ Thür. e. V. den Einsturz der Runneburg verhinderte, bei den bauarchäologischen Untersuchungen an der Runneburg stellte, war die Klärung der Frage, ob hier die Schlacht von 531 stattgefunden haben könnte. Doch kein Fund des 6. Jahrhunderts wurde gemacht. Thomas Stolle sagt zwinkernd dazu: „Wo die Archäologen nichts finden, da war auch nichts. Aber noch ist die Burg nicht vollständig ergraben…“ Bleibt ein winziger Hoffnungsschimmer für die Weißenseer. Dennoch, keine geschichtsträchtigere Burg als die Runneburg in Weißensee konnte den Namen der legendären Schlacht weitertragen, selbst wenn man heutigentags staatlicherseits versucht, diese alte Tradition abzuschaffen.
Vielleicht war es ein Zufall, aber ein Historiker aus Weißensee, Ernst Lorenz, ging 1891 in seiner Doktorarbeit „Die Thüringische Katastrophe vom Jahre 531“ eben jener Frage nach und kam zu dem Ergebnis, daß der Schlachtenort eben nicht im Hannoverschen, sondern im Thüringischen zu suchen sei, nämlich westlich vom Schloß Vitzenburg bei Zingst im alten Amt Freyburg! Wie passend ist zudem die Beschreibung der „Ronneberge“ eines älteren Chronisten: „Der Ronneberg – ein Distrikt Felder, welcher verschiedene kleine Anhöhen und Thäler in sich enthält, und sämmtlich zu dem Schlosse Vitzenburg gehöret, fängt sich gleich hinter demselben, wo man nach Zingst gehet an. Gegen Mittag (Süden) stossen diese Felder auf eine Reihe ziemlich hohe rund sehr steinigter Berge, welche längts unter denselben, von dem Schlosse Vitzenburg an, bis an das Holtz (Ziegelrodaer Forst) weggehen: und eben diese Reihe Berge heissen bis itzt noch die Ronneberge: an deren Fusse aber fließet die Unstrut. Gegen Abend gehen die Ronnebergsfelder bis an die kurfürstlichen Waldungen, die zum Amt Freiburg gehörig sind. Gegen Mitternacht stoßen sie auf die zu den Dörfern Pretitz und Weißen-Schirmbach gehörigen Fluren und verschiedene kleine Gehölze. Gegen Osten aber haben die Ronnebergsfelder das Schloß Vitzenburg und dessen Anhöhen, nebst der Unstrut vor sich.“
Wahrscheinlich hatte Widukind diese Ronneberge vor Augen, als er seine Sachsengeschichte schrieb und nach einem Ort für den Untergang der Thüringer suchte. Übrigens ist dieses Runibergun dann auch nicht mehr so weit zu Scithingi!
Andere Wissenschaftler bringen Ronnenberg bei Hannover ins Spiel, was ziemlich fraglich ist, denn Hannover war damals altes sächsisches Stammland und eine Flucht der Thüringer von Hannover nach Burgscheidungen erscheint als sehr unwahrscheinlich. Auch Ruhnsburg an der westlichen Hainleite wird als Platz für die Schlacht genannt.
Lassen wir es dabei begnügen. Freuen wir uns, daß der Name der Schlacht und ihr „Gedenken“ in der Runneburg fortleben; gleiches gilt auch für Burg Scheidungen. Und danken wir Widukind für diese tolle Geschichte.