Runibergun: Der Tod König Herminafrieds in Zülpich

Über den Tod des letzten Königs der Thüringer, der aus Scithingi fliehen konnte und vielleicht noch über einen Teil seines Reiches weiterherrschte, weiß Gregor von Tours zu berichten. Im Kapitel Vom Ende Herminafrieds hören wir darüber folgendes:

DAs Opfermoor von Oberdorla - ein Foto von Annelie Kolar

Der Himmel über dem Opfermoor von Oberdorla - ein Foto von Annelie Kolar

„Als er (Theuderich) in seine Heimat zurückgekehrt war, ließ er Herminafried zu sich kommen, und gab ihm sein Wort zum Pfande, daß ihm nichts geschehen solle. Er überhäufte ihn auch mit Ehrengeschenken. Da sie aber eines Tages auf der Mauer der Stadt Zülpich (zwischen Aachen und Bonn) miteinander sprachen, erhielt Herminafried einen Stoß, ich weiß nicht von wem, stürzte von der Mauer zur Erde und gab seinen Geist auf. Wer ihn dort herabwarf“, so Gregor weiter,“ wissen wir nicht. Man behauptet aber, daß ganz gewiß eine Hinterlist Theuderichs dabei im Spiel war.“

Höchstwahrscheinlich hatte der in Ränken sehr bewanderte Frankenkönig dem unglücklichen Thüringer Hoffnung gemacht, daß er auf einem Wege des Vergleichs sein Reich wieder erlangen könne. Anders wäre die Naivität Herminafrieds, sich in die fränkische Schlangengrube zu wagen, nicht zu erklären. Nachdem er durch die Heuchelei des Frankenkönigs sicher gemacht worden war, wurde er Opfer eines feigen Mordanschlags. Als Anstifter kam selbst für Gregor Theuderich in Frage. Die Sache war so schlau eingefädelt, daß sie als unglücklicher Unfall oder bedauerliches Versehen hingestellt werden konnte. Daher die Unbestimmtheit der Gerüchte.

Widukind von Corvey liefert darüber wieder eine ganz epische Geschichte ab, die man später als das Iringlied bezeichnete.

Demnach spielte sich der Tod des letzten Thüringerkönigs so ab: „Welches Ende aber die Könige nahmen, will ich zu berichten nicht vergessen, da diese Sage (Fama) erzählenswert ist. Iring wurde am Tag der Eroberung der Burg zu Theuderich gesandt und von diesem in seinem Lager aufgenommen, wo er auch blieb. Als Theuderich aber hörte, daß Herminafried entkommen war, versuchte er ihn mit List und Tücke zurückzuholen, damit Iring ihn töte. Zuvor hatte er Iring mit reichhaltigen Geschenken übersät und mit einer großen Machtfülle im Reich ausgestattet. Theuderich wollte bei diesem Mord seine Hände in Unschuld waschen. Iring hörte diesem Plan unwillig zu, doch durch falsche Versprechen bestochen, erklärte er sich nach und nach bereit, dem Willen Theuderichs zu folgen. Der zurückgerufene Herminafried warf sich Theuderich zu Füßen. Iring, als königlicher Waffenträger mit gezücktem Schwert danebenstehend, tötete seinen Herrn.

Kaum war die ruchbare Tat vollbracht, sprach der König zu ihm: „Durch ein solches Verbrechen, dem Mord an deinem Herrn, bist du allen Sterblichen verhaßt geworden, aber du sollst freien Weg haben, von uns fortzugehen. Wir wollen keine Schuld und keinen Teil an deiner Frevelhaftigkeit haben.“

Darauf antwortete Iring voller Grimm: „Zu Recht bin ich allen Sterblichen verhaßt geworden, weil ich deiner Tücke unterlag. Doch bevor ich dich nun verlasse und gehe, will ich mein Vergehen sühnen und meinen Herrn rächen.“ Und mit blankem Schwert drang er auf Theuderich ein und metzelte auch ihn nieder. Dann nahm er den Leichnam seines Herrn und legte ihn über Theuderichs Körper, damit wenigstens der im Tode siege, der im Leben überwunden worden war. Und sich mit dem Schwert einen Weg bahnend, ging er fort.“

Widukind, diesem Gerücht nicht trauend, schließt mit den zweifelnden Sätzen: „Ob diesen Worten zu trauen ist, bleibt dem Leser überlassen. Wir können uns jedoch nicht genug darüber wundern, daß diese Sage von solcher Bedeutung war, daß nach Iring sogar die sogenannte Milchstraße am Himmel bis zum heutigen Tag benannt wurde.“

Vielleicht folgt Widukind einer alten mündlichen, jahrhunderte überdauernden thüringischen Tradition, wir wissen es nicht. Iring selbst wird nur bei ihm erwähnt; auch Radegunde erwähnt ihn nicht. Lediglich oder gerade im Nibelungenlied taucht er noch einmal auf.

Umso glaubhafter ist jedoch die Ermordung des letzten Königs der Thüringer durch die Franken.

Leider nimmt der Buchhandel unser schönes Buch „Runibergun – Vom Königreich der Thüringer“ nur verhalten an. „Unsere Kinder und Jugendlichen lesen doch (so etwas) nicht“ höre ich mit grimmigem Herzen mehr als einmal. Nun ja, wenn man es unseren Kindern nichts in Richtung alter Thüringer Geschichte anbietet… Deshalb, liebe Freunde der alten Thüringer Geschichte, redet mit Eurem Buchhändler oder bestellt direkt bei uns. Solange wir jedenfalls so wenig Patriotismus in den Buchläden finden, brauchen wir uns über bestimmte Dinge, wie das Niedersinken von Traditionen und Werten nicht zu wundern.