Und sie gehört doch auf den Rost!

Es ist schon kurios, was man alles über die Thüringer Rostbratwurst oder kurz Bratwurst genannt, lesen kann. Die einen behaupten, man habe sie früher getrocknet, andere schreiben, sie sei geräuchert worden und allen gemein ist, daß sie die Rechnung ohne den Wirt, sprich die historischen Quellen machen.

Die Herkunft der berühmten Thüringer Rostbratwurst schildert folgende, zwar nicht historisch belegbare, aber schöne Geschichte, die beweißt, daß Bratwürste nicht nur nahrhaft sondern auch wehrhaft sind: Mitte des 15. Jahrhunderts entbrannte der sogenannte „Schwarzburger Hauskrieg“ um das in drei Grafschaften zerteilte Schwarzburger Land. Der Kurfürst von Sachsen zog im Jahre 1450 als einer der kriegführenden Herrscher die Ilm aufwärts bis vor das Städtlein Stadtilm, welches er aber nicht erstürmen konnte. Also begann er die Stadt zu belagern und hoffte durch Aushungern den Widerstand der Bürger zu brechen. Fast wäre ihm das auch gelungen, wenn nicht der Ratsmeister Simon Stuff auf eine rettende Idee gekommen wäre. Das letzte Schwein im Ort besaß der Nagelschmied Vogt. Es wurde geschlachtet und zu Bratwürsten verarbeitet. Da jeder Einwohner noch eine erhalten sollte, wurde nur soviel in die Därme gestopft, wie es dafür nötig schien. So entstand auch die Länge der Bratwurst. Sie wurden dann den Belagerern gut sichtbar und vorallem gut riechbar gebraten. Der verlockende Duft zog bis in das Lager des Kurfürsten und verwirrte hier die Sinne der Angreifer. Man kam zu dem Schluß, die Proviantvorräte der Stadtilmer doch falsch eingestuft zu haben und brach die Belagerung erfolgreich ab.

Würste aus Schweine- und/oder Kalbfleisch sowie Wildpret und Fisch sind schon sehr früh bezeugt, spätestens seit dem 13. Jahrhundert. Es handelte sich zumeist um gekochte oder gebratene Würste. Da die meisten Gerichte des Mittelalters gekocht oder gebraten wurden, liegt es nahe, daß auch die thüringischen Würste auf diese Manier bereitet wurden. Von getrockneten oder geräucherten Würsten berichten die mittelalterlichen Kochbücher und anderen Überlieferungen nichts. Der Rost fand sich in allen Küchen, sowohl der Klöster, Burgen und in den Garküchen der Städte. Man gab die Bratwürste trocken, d. h. ohne Sud, empfahl aber auch schon sie in einer Senfsoße (16. Jh.) zu servieren, wenngleich das Mittelalter eine soßenfreie Zeit war.

Die Fleischrezepte, mit einigen Ausnahmen, gehen von einem frischen Zubereiten der Speisen aus. Zwar kennt man im Mittelalter einige Tricks der Konservierung, z. B. Hirschleber in Honig oder die Haltbarmachung des Kabeljaus als Stockfisch, die Norm – wie heute – dank ausgeklügelter Chemikalien, ist es aber nicht. Geräucherte Bratwürste sind für das Mittelalter bis um das Jahr 1500 nicht verbürgt. Die Därme verwendete man auf vielfältige Weise. Sie gaben z. B. die Hüllen für wunderliche Rieseneier ab oder dienten als Sülzen. Die älteste Rechnung für Därme für brotin wurstin (Bratwürste) stammt aus dem Jahr 1404 des Jungfrauenklosters in Arnstadt. Schon in der Bennenung als „Bratwürste“ kann man die Zubereitungsart unschwer entnehmen. Bereits 1432 stellen die Fleischhauer der landgräflichen Stadt Weißensee in Thüringen in einer Fleischhauerordnung Regeln für die Brat-, Leber- und anderen Würste auf, die im gleichen Jahr von der Stadt Weimar angefordert und übernommen wird (Reinheitsgebot für die Thüringer Bratwurst). Darin wird die Trichinenschau vorgeschrieben und wie die Fleischer das Fleisch zu verkaufen haben. Interessant ist die Bestimmung, daß nur Schweinefleisch verwendet werden darf. 1516 lieferte man Bratwürste auf das Schloß Altenburg, ein schöner Beleg, daß auch der sächsische Hochadel sich dieses „Gerichtes“ erfreute.

Geräuchert wurde, wie es Beschreibungen aus der Renaissance beweisen, seit dem 16. Jahrhundert.

Die gebrühte Rostbratwurst ist ein Überbleibsel des Mittelalters und hatte seine Berechtigung vielleicht in hygienischen Überlegungen. Der heutige Verbraucher zieht allerdings eine frische, ungebrühte Rostbratwurst vor.

Eine Verordnung aus dem Jahre 1613 für das Fleischerhandwerk zu Weimar, Jena und Buttstädt schreibt folgendes vor: „Eine Bratwurst für einen Groschen soll dreiviertel Pfundes von dem Gewicht haben und von lauterem Schweinefleisch gefüllt sein worden, so aber einer oder der Andere Kalbs- oder ander Fleisch dazu nimmt, der soll, so er dessen überführt wird, nicht allein der Würste verlustig sein, sondern auch einen halben Gulden zur Strafe geben.“

Nicht nur heutigentags versuchen Fleischer immer wieder mit der längsten Bratwurst die Menschen zu erfreuen und Konkurrenten zu beeindrucken. Bereits am 5. März 1726 trugen die Zittauer Fleischerknechte öffentlich eine Bratwurst von 625 Ellen und 11 Zoll Länge durch die Stadt.

Heute wird der Verbraucher in puncto Hygiene nicht mehr durch mittelalterliche Fleischhauerordnungen geschützt, die jegliche Konservierungsmittel ausschlossen und strengstens verboten, sondern von der sogenannten „Deutschen Hackfleischordnung“. Diese schreibt vor, die Bratwürste in gekühltem Zustand (4-7 Grad, Kühlschrank) und ohne Unterbrechung der „Kühlkette“ auf den Rost zu bringen. Ein Einlegen der Bratwürste, was die Geschmeidigkeit der Därme und den Geschmack erhöht, ist strengstens verboten. Ein Verstoß endet mit einer Anzeige, die Bratwürste müssen als Sondermüll entsorgt werden (ein Verfüttern an Hunde ist ebenfalls strengstens verboten), der Aussage vor der Kriminalpolizei (wofür ein Beamter schon einmal von A nach B fahren muß), einer Geldstrafe oder der Niederschlagung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft wegen geringfügiger Bedeutungslosigkeit. Und das für eine Handvoll Bratwürste im Wasser! Empfohlen werden gebrühte Bratwürste und wenn alle Fleischer und Bräter dieser Empfehlung folgen würden, wäre die Original Thüringer Rostbratwurst, die man Markenrechtlich vor der EU hat schützen lassen, zum Aussterben verdammt. Glücklicherweise gibt es genügend Verlängerungskabel und so kann man die Kühlschränke direkt hinter dem Rost aufbauen… Schade, daß uns die heutigen Gesetze nicht vor BSE, Schweinepest und Gengemüse schützen konnten und können.

Summa Summarum kann festgehalten werden, daß die Bratwurst auf dem Rost landete, und das schon seit 1404! Im Anschluß drei Rezepte aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die illustrieren mögen, daß unsere Vorfahren über ein gefülltes Arsenal an Würsten verfügten.

Eine gute gefüllte Wurst (1445)

Willst du eine gute gefüllte Wurst machen, so nimm den hinteren Darm von einem Kalb und schabe ihn mit heißem Wasser aus und mache ihn rein und hacke die Lunge und Speck und würze es gut und fülle es in den Darm. Auch nimmt man gern das Hirn und Eierdotter, Petersilie und Milch dazu, dann heißt es Hirnwurst. Danach siede sie und brate sie dann auf einem Rost und gib es trocken (ohne Soße) oder mach eine gelbe Soße (gele bruwe) und gieße ein wenig Wein darüber und würze es.

clapworst von einer Leber (1445)

Willst du eine Presswurst aus einer Leber machen, so nimm die Leber und kacke sie klein, solange sie frisch und roh ist und hacke Eier darein (gekochte) und Weißbrot und würze es und färbe es und und winde es in ein Netz und brate es.

Eine gute Wurst zu machen (1550)

Willst du eine gute Schweinwurst machen, so nimm Reis, soviel dich dünkt das es genug sei, wasche ihn rein aus und nimm gut gequelltes Schweinefleisch darunter, schneide es fein in Würfel, nimm darunter guten Pfeffer, Milchrahm oder Sahne und Majoran, salze es, menge es untereinander und fülle es in die Würste oder Schweinemagen und laß das gut sieden.