Hexe, Werwolf und Vampir – Leseproben

Spätestens seit dem Kinofilm Sleepy Hollow (1999) mit Johnny Depp und Christina Ricci in den Hauptrollen gelangte die Sagengestalt des kopflosen Reiters wieder zu einem gewissen Bekanntheitsgrad. Literarisch aus Washington Irvings Novelle The Legend of Sleepy Hollow (1809) entlehnt, erscheint der kopflose Hesse in diesem Hollywood-Film als mörderischer Wiedergänger, der einigen Bewohnern des Dörfchens Sleepy Hollow nach dem Kopf trachtet, anders als der literarische kopflose Reiter, der den Dorfbewohnern Irvings nur ein paar Streiche spielt. Irving hatte die Gestalt des Reiters vermutlich bei einer Reise entlang des Rheins (1806) kennengelernt, wo viele Sagen um den kopflosen Reiter angesiedelt sind.

Der gefürchtete kopflose Reiter bringt in vielen Sagen Westdeutschlands denjenigen, denen er begegnet den sofortigen oder baldigen Tod. Allerdings schlägt er seinen Opfern nicht die Köpfe ab, sondern er tötet sie durch eine Berührung mit der Hand. Manchmal erscheint er wie aus dem Nichts, dann wiederum entsteigt er samt seinem Roß einem Grab oder einer Gruft. Manchmal ist auch sein Pferd kopflos. Beim Reiter ohne Kopf handelt es sich nicht um einen materielosen Geist, sondern um einen wiederkehrenden Untoten, einen lebenden Toten. Im Rheinland und in Mitteldeutschland waren die kopflosen Reiter Menschen, die für ihre Sünden büßen mußten.

Im Rheinland finden sich oft Selbstmörder oder Grenzsteinversetzer unter den kopflosen Reitern. Noch aus germanischer Zeit stammt ein Gesetz, nach dem ein Grenzsteinversetzer vom Geschädigten bis zum Hals eingegraben und dann mittels Pflug enthauptet werden konnte.

Auf dem Weg zwischen Grochewitz und Serno (Landkreis Anhalt-Zerbst) geschah vor langen Zeiten ein Raubüberfall, in dessen Verlauf ein Reiter einen Wanderer erschlug. Doch der Mörder wurde bald ergriffen, der Tat überführt und vom Scharfrichter als Straßenräuber enthauptet. Doch auch nach Erleidung der Strafe fand der Mörder keine Ruhe, sondern erscheint nächtlich zu Pferde, wie einst in der Mordnacht, den abgeschlagenen Kopf unter dem Arm und reitet so in der Geisterstunde die Straße auf und ab, auf der er die blutige Tat begangen hat.

Der westdeutsche kopflose Reiter konnte erlöst werden, der thüringische nicht. Verwandt mit ihm ist der kopflose Junker, der sowohl im Gebiet zwischen Rhein und Ruhr als auch in Böhmen umging und vornehmlich Jagd auf junge Mädchen machte.

Zwischen Wandersleben und Wechmar findet sich eine unheimliche Stelle, an der einst ein Mord verübt wurde, und zwar durch einen Reiter, der zur Nacht ohne Kopf dort herumgaloppiert und in der Rechten ein großes blankes Schwert hält. Es ist nicht sehr ratsam, ihm zu begegnen.

Einst hatte ein Bauernknecht aus Wandersleben Malz nach Wechmar zu fahren, und zwar des Nachts, und kam just zur Geisterstunde nahe der Apfelstädt an einen Graben, als plötzlich die Pferde standen und trotz allen Antreibens und Peitschens nicht wieder anzogen.

Der Knecht wandte alle erdenkliche Mühe an, die Pferde fortzubringen, allein er mühte sich vergebens. Das währte so lange, bis die Glocke in dem nahen Wechmar ein Uhr schlug. Da zogen die Pferde mit einem gewaltigen Ruck wieder an. Der Knecht aber, erhielt von unsichtbarer Hand ein paar derartig kräftige Maulschellen, daß er davon schier betäubt wurde.

Hexe, Werwolf und Vampir

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