Auf dem Schlachtfeld von Tannenberg 1410-2010 – Schlachtenrapport eines Schwergewappneten
Am 15. Juli 1410 besiegten in einer mörderischen Schlacht die verbündeten Heere der Polen unter König Jagiello, dem litauischen Großfürsten Witold und tartarischen Hilfstruppen das Heer des Deutschen Ordens unter seinem Hochmeister Ulrich von Jungingen. Dieser, für die Deutschen mehr als unglückliche Waffengang, führte zum Untergang des stolzen Ordens. Diese Geschichte wurde im 19. Jahrhundert von Henryk Sienkiewicz literarisch in einem Roman verewigt. Heute, 600 Jahre später, gedachte man der blutigen Schlacht von Tannenberg (Grunwald wird sie bei den Polen genannt) mit einem Reenactement der Superlative. Vom 15.-18. Juli wurde das Schlachtfeld von Tannenberg zum mittelalterlichen Heerlager. Auf drei Fahnenmasten wehten die Fahnen des Deutschen Ordens, der Polen und der Litauer. Staatsgäste wurden begrüßt, so auch der jetzige Hochmeister des Ordens, Militärkapellen spielten, Flugzeuge versprühten die polnischen Nationalfarben. Grunwald 2010 – ein Nationalfeiertag in Polen. Ein riesiger Mittelaltermarkt wartete auf Käufer, zahlreiche, zum Teil blutige Turniereinlagen luden zur Unterhaltung mittelalterbegeisterter Menschen. 300 000 Besucher sollen es an allen Tagen gewesen sein.
Ich rechnete mit 3 Stunden Schlacht, 30 Kg Kampfgewicht und 30 Grad Hitze. Daraus wurden 2,5 Stunden Schlacht, 25 Kg Kampfgewicht und fast 40 Grad Hitze. Letztere forderte von allen Kämpfern die letzten Kräfte. Viele dehydrierten und erreichten nicht einmal das Schlachtfeld. Mir wäre es hin zum Schlachtfeld, hindurch zwischen zehntausenden Besuchern ebenso ergangen, wären nicht in aller letzter Sekunde meine Edeldame Andrea und mein tapferer Knappe Emil erschienen, die mir die schwere Hundsgugel samt Brünne, Eisenhandschuhe und Schild trugen.
Nachdem ich auf dem Schlachtfeld ankam, trank ich erst einmal ordentlich Wasser und war nach knapp 20 Minuten fit wie nie. Jetzt konnte es losgehen. „Christ ist erstanden“ ertönte es aus dem Lautsprecher, allein ich war der einzige, der mitsang. Die Schlacht begann etwas unhistorisch, denn der Hochmeister und sein berittenes Gefolge töteten ein paar arme polnische Bauern und zündeten deren Dorf an. Tatsächlich war es vor 600 Jahren etwas anders, denn die Polen und Litauer verwüsteten – in typischer mittelalterlicher Kriegsweise – das Grenzland des Deutschen Ordens. Grund genug für den Hochmeister sich den Polen in den Weg zu stellen… und die vielen aufgestauten Probleme mit der Waffe zu lösen. Aber wollenwir das den Veranstaltern nachsehen. Nachdem also das Dorf verbrannt war, zog sich der Hochmeister zurück, um dann ein paar sehenswerte Attacken gegen die polnische und tartarische Reiterei zu führen. Dann ging es immer wieder zwischen den Fußtruppen hin und her. Von den im Vorfeld so glorifizierten und hochstilisierten gewaltbereiten „Russen“ sah ich nichts. Auf deutscher Seite kamen Bombarden und Hakenbüchsen (u. a. drei Mann der „Gruppe Schneider“ vom thüringischen Brandenburgverein) zum Einsatz, die ein mächtiges Spektakel veranstalteten, aber in der historischen Schlacht wenig ausrichteten. Dann wurde durch polnisches und litauisches Fußvolk eine Truppe Deutscher nach der anderen niedergekämpft. Dazwischen flüchtete die Kulmer Ritterschaft und verriet den Hochmeister. Nun waren wir dran, das Hochmeisterbanner, bestehend aus polnischen Kämpfern, dem kampferfahrenen brandenburgischen Rabenbanner (www.rabenbanner-bernau.de), meinem vogtländischen Ritterbruder Mario von den Freien Söldnern des Vogtlandes und mir. Sollte ich jemanden vergessen haben, möge er sich bei mir bitte melden. Der Rest der Deutschen, darunter einige wortgewaltige „Ruhrpotter“, schaffte es leider nicht auf das Schlachtfeld. Nicht zu vergessen: Zwei andere Thüringer kämpften noch auf polnischer Seite mit. Also kann man mit Recht und Fug behaupten, daß alle Thüringer Kämpfer das Schlachtfeld erreichten und zwei von ihnen sogar bis zum Schluß kämpften. Die Schlacht ging immer weiter, nur ab und an von den Sirenen der SMH unterbrochen. Es gab aus meiner Sicht keine Verletzten, nur zahlreiche „Dehydrierte“. Vorrücken, kämpfen und zurück hieß die Parole. Schließlich wurde der Hochmeister eingekreist, freigekämpft und wieder kamen wir zum Einsatz, zum letzten Male! Das Hochmeisterbanner, noch etwa 30-40 Mann, „rannte“ zum Hochmeister, bildete einen Kreis und hielt ihm bis zum Tod die Treue. Ich glaube, nach tapferem Kampf gegen einen großen Polen mit blauem Schild, noch unter den letzten 10-20 Deutschherren gewesen zu sein, bevor ich fiel, von allen Seiten Hiebe einkassierend. Dann lag ich etwa 15 Minuten, bis das Ende der Schlacht signalisiert wurde und wir aufstehen durften. Ich stach mein Schwert in den Boden, stellte den Schild davor und legte meinen Helm mit den völlig ruinierten Pfauenfedern davor. Dann kniete ich nieder und betete ein Vaterunser für den gefallenen thüringischen Grafen Albrecht von Schwarzburg, der als Komtur und Deutschordensritter gefochten und gestorben war. Ich verließ das Schlachtfeld mit gemischten Gefühlen, hatte ich mich im Vorfeld doch bestens mit der Ordengeschichte befaßt. Es bleibt zu wünschen, daß bei zukünftigen Schlachtdarstellungen in Tannenberg/ Grunwald der Deutsche Orden weiter entdämonisiert wird und zumindest das Abbrennen des Dorfes gestrichen wird. Die Leistungen des Deutschen Ordens, der 1226 von Konrad von Masowien ins Land geholt wurde (er erhielt das eroberte Land der Pruzzen und alles Land, welches er noch erobern konnte!) sind in Preußen noch weithin sichtbar. Die jüngere Geschichte der Deutschen wirkt leider noch zu stark belastend auf die Geschichte des Deutschen Ordens. Hoffen wir, daß durch solche Geschichts- und Schlachtendarstellungen das noch etwas verschwommene (aber schon deutlich objektivere) Geschichtsbild beiderseits nach und nach korrigiert wird und der Geist der Völkerverständigung herrscht. Uns hat es in Polen jedenfalls gut gefallen und wir können das schöne „Preußenland“ nur wärmstens als Urlaubsziel empfehlen.
Ich danke folgenden Personen: Meinem Hauptmann Maik Elliger vom Freien Ritterbund Thüringen, für die Überlassung seiner Rüstung und wertvollen Tipps; Schmied Herbert für die Überlassung seiner Hundsgugel und wertvollen Diensten als „Oberknappe“; Burgherr Reinhard Schneider und seinen Brandenburger Edeldamen und Recken, die mir immer freundlich und hilfsbereit zur Seite standen; Irina und Marko Stüdemann, Mario Simon aus Plauen und Jochen aus Leubnitz im Erzgebirge als Gastkämpfer der Gruppe Schwarzes Eichhörnchen, für die tolle Gastfreundschaft; Ewa, von unserer polnischen Pension, die ich für einen Masuren/ Ostpreußenurlaub unbedingt empfehlen kann (www.lesnejezioro.pl); Thomas Butters, für die Organisationsunterstützung sowie allen die ich vergessen haben sollte, besonders aber danke ich meiner Edelfrau Andrea und meinem Knappen Emil, die mir auch die Rüstungsteile vom Schlachtfeld wegschleppten…
PS Als nächste Schlacht steht Hastings 2012 auf dem Programm, diesmal aber vielleicht auf der Seite der Angelsachsen … mir gefallen deren riesige Äxte so und dann ziehen mich doch „Untergänge“ an…