Autorin Petra Klages im Interview mit Eva Sassen

„Brieffreundschaft“ mit einem Serienmörder, lautet der Buchtitel. Sein Inhalt zeigt die Entwicklung vom Tierquäler zum Mörder. Abgespaltene Kindheitserlebnisse sind früh zu erkennen. Sie prägen ein Leben lang. Am Extrembeispiel eines Serienmörders wird die Struktur des Missbrauchs von Kindern deutlich. Mit der Autorin Petra Klages SPRACH EVA SASSEN.

Frau Klages, warum nahmen Sie Kontakt zu einem gefangenen Serienmörder auf?

Weil so gut wie keine qualitativen Forschungen über die Ursachen für derartige kriminelle Handlungen existieren. Daraus resultieren Defizite bei der Prävention, bei der Verbrechensaufklärung- und Bekämpfung. Aus diesen Gründen stehe ich in kontinuierlichem Kontakt zu unterschiedlichen Mördern und Serienmördern. Das FBI befragte 36 Serienmörder und machte erstmalig auf zahlreiche Parallelen in der Entwicklung vom Opfer zum Täter aufmerksam. Die frühe Zerstörung der kindlichen Psyche ist in der Regel die Basis für eine kriminelle Entwicklung, es kommen natürlich noch zahlreiche andere Dinge, wie beispielsweise Drogenkonsum in der Familie, ein gewalttätiger Vater und sehr häufig auch sexueller Missbrauch des Kindes hinzu.

Heftige Gewalterfahrungen in der Kindheit sind ja leider häufig. Wie entwickelt sich ein Mensch zum Mörder?

Zum Glück wird nicht jeder Mensch mit einer von Gewalt geprägten Kindheit zum Kriminellen. Viele unterschiedliche Faktoren und Prozesse zählen als Ursache. Wenn ein Kind massiv durch extremen sexuellen Missbrauch traumatisiert wird, – möglicherweise mehrfach und über einen langen Zeitraum, – übersteht es das nicht unbeschadet. Das ist auch ein wichtiger Bestandteil meines Buches, „Brieffreundschaft“ mit einem Serienmörder. Die Verletzungen führen zu gravierenden Veränderungen innerpsychischer Verarbeitungsprozesse, zu einer Narbenbildung im Gehirn, zur Ausprägung von bestimmten Charaktereigenschaften. Sie machen den Menschen aber nicht zwangsläufig zum Kriminellen. Sie erhöhen jedoch das Risiko. Mitgefühl ist diesen jungen Menschen übrigens häufig völlig fremd. Gut für die menschliche Entwicklung ist immer eine intakte Bindung an die primären Bezugspersonen.

Psychologisch und kriminologisch fundiert, ist die Möglichkeit der Entwicklung vom Opfer zum Täter. Zum Beispiel wiederholt ein Gewaltopfer das Erlebte, „befreit“ sich von diesen Opfererfahrungen, indem jemand auf ähnliche Weise verletzt wird. Häufig sind die ersten Opfer Tiere, später sind es dann möglicherweise Menschen. Das macht es verständlich, warum Tatmuster bei Tierquälereien, Tiertötungen und menschlichen Opfern ähnlich sind. In meinem Buch zitiere ich aus den Briefen des Serienmörders, den ich Axel F. nenne. Er quälte erst Tiere, bevor er Menschen tötete. Der Schritt vom tierischen zum menschlichen Opfer ist klein. Tierquälerei ist also ein absolutes Warnsignal! Die Tierrechtsorganisation PETA klärt u. a. über diese Deliktsbereiche auf. Das Kind oder der Jugendliche fühlt sich durch diese Handlungen gut und mächtig, erstmalig erlebt er Kontrolle über eine von Gewalt erfüllte Situation und ist nicht mehr das Opfer. Freud (1926) hat das folgendermaßen formuliert: Wenn etwas Erlebtes nicht in gewünschter Weise geschehen ist, so wird es vernichtet, indem es auf andere Art wiederholt wird.

Narbenbildung im Gehirn, fehlendes Mitgefühl und Tierquälerei nennen Sie als Anzeichen. Bei Personen, die ihre Verletzung nach innen richten, kenne ich die Variante Narbenbildung im Gehirn mit epileptischen Anfällen als Folge, fehlendes Selbstwert-Gefühl und Selbstquälung.

Ein durch wiederholtes Erleben ausgelöstes Trauma kann Nervenzellen verändern. Die Folgen der Verletzungen der kindlichen Psyche sind Veränderungen der Strukturen und Funktionen des Gehirns. Es werden u. U. auch Abspaltungsprozesse oder radikale Verdrängungen – bestimmte Formen der Amnesie – verursacht. Bedeutsam ist der Verlust von selbst Erlebtem in Bildern, von emotionalen Erinnerungen und von Rückschlägen. Psychotisches Erleben kann durch die Aktivierung bestimmter Gehirnbereiche – z.B. des für Akustik zuständigen Schläfenlappens – ausgelöst werden. Die Strukturen und Prozesse des Gehirns werden durch die Verletzungen also teilweise „anders aktiv“, sind in einigen Funktionen eingeschränkt, geschädigt oder verändert.

Schildert Ihr Buch die Erlebnisse und Entwicklung des Herrn F. in Originalzitaten?

Das Buch besteht aus unserem Briefkontakt, aus vielen Originalzitaten des Axel F., aus Erkenntnissen, die die Einsichtnahme in die Prozessakten ergaben und mehr. Es werden die Erlebnisse seiner extremen Opfererfahrungen dargestellt. Er war als Kind jahrelang das Opfer massiver sexualisierter Gewalt. Er wurde gezwungen, sich zu prostituieren. Die Entwicklung seiner kriminellen Laufbahn wird für die Leser schlüssig und nachvollziehbar, aber keinesfalls entschuldbar. Darum geht es auch nicht. Es geht mir um die Darstellung von Gesetzmäßigkeiten, um mögliche Folgen, die unterschiedliche Formen der Gewalt auf Kinder haben können. Es gibt keine Fiktion im Buch, es handelt sich um die authentische Geschichte eines bis an sein Lebensende inhaftierten, sadistischen Serienmörders. Alle Namen und Daten, wurden aus Gründen des Schutzes von Opfer- und Persönlichkeitsrechten, verändert bzw. anonymisiert.

Eva Sassen www.evasassen.eu arbeitet u.a. als freie Journalistin.
Kontakt über evasassen@web.de.

Die Auorin ist über www.petra-klages.de zu erreichen.

Das Buch kann direkt bei www.verlag-kirchschlager.de bestellt werden.