Götzendienst und Zauberei oder von der Christianisierung Thüringens

Zu den ganz großen Missionaren, die unseren Vorfahren das Evangelium brachten, zählt der Angelsachse und Benediktinermönch Winfrid-Bonifatius. Der „Apostel der Deutschen“, der in Friesland den Märtyrertod fand, setzte sich darüber hinaus besonders für die Christianisierung der Thüringer ein, was den damaligen Kirchenmännern ziemlich notwendig erschien.

Wer war eigentlich dieser Bonifatius? Winfrid, vom Papst später Bonifatius genannt, wurde 672 oder 675 im Königreich Wessex (England) geboren. Über Kindheit, Erziehung, Aussehen ist nichts bekannt. Archäologen fanden jedoch heraus, daß dieser bedeutende Mann fast 1,90 m groß gewesen sein soll, sieht man einmal von seinem Missionseifer, seinen rhetorischen Fähigkeiten und Managementqualitäten ab. Ende 718, mit über 40 Jahren, was für damalige Verhältnisse schon ziemlich alt war, verließ er seine englische Heimat endgültig, um auf dem Festland zu missionieren. Und das tat er ohne Aufforderung des Papstes! Seine „Missionsperformance“ in den folgenden Jahrzehnten ist beeindruckend. Nach zwei Jahren im heidnischen Friesland bei seinem älteren Landsmann Willibrord, zog es Bonifatius nach Süden. Ende 722 weihte Papst Gregor II. ihn zum Missionsbischof, zum Bischof ohne festen Sitz und Diözese, für „einige Stämme in Germanien östlich des Rheines.“, die sich teils schon zum Christentum bekannten, aber noch heidnischen Bräuchen anhingen. Dazu zählten auch die Thüringer.
Zwar waren sie, im Gegensatz zu den Friesen, keine Heiden, aber sie waren in jener Zeit auch noch keine „richtigen“ Christenmenschen (Katholiken), denn sie waren Arianer. Arianismus war eine frühe christliche Lehre aus dem 4. Jahrhundert, benannt nach dem Priester Arius. Nach arianischer Lehre ist Jesus Christus nicht wesensgleich mit Gott, aber dessen vornehmstes Geschöpf. Insofern wundert es auch nicht, daß der Frankenherzog Hedan im Jahre 704 dem Erzbischof Willibrord reiche Besitzungen überwies, zu denen Arnstadt, Burg Mühlberg und Großmonra zählten. Willibrord wirkte selbst, als er 715-719 aus Friesland weichen mußte, in Thüringen.
Der letztgenannte Umstand verdeutlicht die schwierige Lage des Missionars Bonifatius besonders: er stieß in Thüringen nicht nur auf heidnische Gebräuche, sondern auch auf einen eingesessenen fränkischen Klerus, der seine Pfründe und manchmal auch lose Lebensweise nicht kampflos preisgeben wollte. Um 725 gründete Bonifatius in Ohrdruf ein Kloster und baute die erste Kirche St. Michaelis. Damit wurde Ohrdruf ein weiterer Stützpunkt für die Missionsarbeit in Thüringen und Hessen.
Den emsigen Missionar trieb es auch in den folgenden Jahren unaufhörlich um. Zahlreiche Bistümer wurden gestiftet, Bischofssitze eingerichtet.
Doch all die Missionsarbeit scheint für die Katz` gewesen zu sein, denn neben dem Widerstand aus den eigenen Reihen wollen die störrischen Thüringer ihre heidnischen Bräuche immer noch nicht an den Nagel hängen. Man weiß ja nie, denken die sich. Wahrscheinlich von Bonifatius in Kenntnis gesetzt, fühlt sich Papst Gregor III. bemüßigt, im Jahre 738, also etliche Jahre nach Beginn der Bonifatius-Mission, an die Edlen und die Völker der Hessen und Thüringer einen Brief zu schreiben. Darin heißt es u. a.: „… laßt ab und haltet euch fern von jedem heidnischen Götzendienst… Wahrsager und Losdeuter, Opfer für Tote, an Hainen und Quellen, Vorzeichen, Amulette, Beschwörer, Zauberer, d. h. Behexer, und gotteslästerliche Gebräuche, wie sie in Eurem Lande vorzukommen pflegen, weist zurück…“
Die Thüringer scheint Bonifatius ins Herz geschlossen zu haben, denn bereits 742 finden wir ihn erneut hier: er gründet das Bistum Erfurt („Erphesfurt“). Doch die beschwerliche Missionstätigkeit und die Umstrukturierungen der fränkischen Kirche gehen auch an diesem unermüdlichen Mann nicht spurlos vorbei. In den letzten Lebensjahren verliert der große Missionar an politischem Einfluß. Er verläßt den Bischofsstuhl von Mainz. Intrigen spinnen sich um ihn. Er geht noch einmal nach Friesland. Kein Mensch weiß warum. Hier, so eine Legende, sucht er den Märtyrertod. Und tatsächlich, am 5. Juni 754 bzw. 755 wird Bonifatius gemeinsam mit 50 Begleitern von Friesen erschlagen. Um sich vor den Mörderschlägen zu schützen, hält er eine heilige Schrift über sein Haupt. Schwert und Bibel werden fortan zu seinen Attributen. Heute zählt Winfrid-Bonifatius neben der hl. Elisabeth zu den am meisten in Thüringen verehrten Heiligen.