Der Verleger über betrügerische „Verleger“
Erst vor wenigen Tagen erzählte mir ein lieber Freund, daß er (und andere Autoren) von einem üblen Kerl, der sich “Verleger” nannte, um Geld betrogen und über den Tisch gezogen worden seien. Ich sagte ihm, dann war das kein Verleger sondern ein Krimineller. Er will jetzt Anzeige bei der zuständigen Staastanwaltschaft erstatten, denn der Herr “Verleger” oder besser der kleine Kriminelle hat sich natürlich auch nicht auf Verträge eingelassen. Aber was war passiert?
Der windige Herr “Verleger” hat sich systematisch um Verträge gedrückt, in denen man (neben den Urheberrechten) die Auflagenhöhe angeben muß. Nun wurde den Autoren eine Auflagenhöhe genannt, die aber nicht der Wahrheit entsprach. Schon der alte B. (sein Name strahlt noch heute in der deutschen Verlagslandschaft, deshalb verschweigen wir ihn) soll hier und da seine Autoren betrogen haben; er gab 1000 Exemplare per Vertrag an, druckte aber 2000 und strich das Autorenhonorar der überzähligen Exemplare selbst ein. Das ist schwerer Betrug! Und wenn es rauskommt, heute strafbar!
Bereits unser alter Herr Goethe stand Verlegern kritisch gegenüber, wünschte ihnen eine eigene Hölle und betitelte sie einmal sogar als “Packzeug”. Kurt Tucholsky meinte gar, Verleger sind gar keine Menschen sondern tun nur so. Ja, das Verhältnis kann manchmal in eine Art Haßliebe ausarten, denn beide brauchen sich. Für die geschätzte Leserschat muß ich anmerken, daß ich sowohl zu den Autoren als auch zu eben jenem “Packzeug” zähle. Siegfried Unseld bringt es in seinem Buch Goethe und seine Verleger auf den Punkt: “Unschuldig” ist eben ein Verleger nie, er muß für das, was unter seinem Imprint erscheint, die Verantwortung übernehmen. Goethe wollte die Beziehung zu Cotta nicht belasten und lenkte bei einem Streitfall ein. Bei meinen Freunden war es ähnlich. Anfänglich wollten sie das ganze Lügengespinst gar nicht wahrhaben, dann lenkten sie ein, um ihr Buchprojekt nicht zu gefährden, wurden elendig betrogen (und manchmal sogar beschimpft) – und nun wehren sie sich. Das ist ihr gutes Recht, wie ich finde, und ihre Pflicht, denn aus meiner Lebenserfahrung weiß ich, daß der Kleinkriminelle mit verlegerischen Ambitionen wahrscheinlich schon auf der letzten Leipziger Buchmesse wieder auf der Pirsch nach unbedarften Autoren war, um sich mit ihren geistigen Eigentümern wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen (§ 263).
Zwei Freunde: Verleger Michael Kirchschlager und Autor Klaus Dalski, Kriminaloberrat a. D.
Nun ein paar Tipps für unbedarfte Autoren:
1. Niemals Geld an einen Verlag zahlen. Druck-Kosten-Zuschußverlage (DKZ) verlegen alles, auch die Klogedichte meiner Katze. Wenn mein Werk nicht verlegt ist, muß es nicht schlecht sein. Vielleicht habe ich mich dem Verlag nur ungeschickt angenähert oder gar den völlig falschen Verlag ausgewählt. Manche Autoren schicken Kochbuch-Manuskripte an Krimiverlage. Hier muß man suchen, vor allem das Gespräch. Manchmal ist für ein Werk die Zeit auch nicht reif. Oder es ist wirklich schlecht.
2. Standarverträge findet man leicht im Internet oder in dem Buch “Wie ein Buch entsteht”. Jeder Autor hat das recht, auf einen Vertrag zu pochen, egal ob es sich um ein Gedicht oder um einen Roman handelt. Das ist zwar für den Verlag aufwendig, aber wessen Gedicht zum Schlager avanciert macht ohne einen Vertrag den Verleger reich …
3. Honorare sind bei seriösen Verlagen üblich. Sie liegen zwischen 6-10 %, gerechnet auf den gebundenen Ladenpreis minus 7 % Mehrwertsteuer. Aber vorsicht! Hier gibt es Fallen! Nur dieser Passus zählt! Unterschreibt man eine Floskel, in der der Verlagsnettoabgabepreis genannt wird, dann zieht der Herr Verleger mal ganz schnell 35-50 % (die Buchhandelsspanne, deshalb Verlagsnettoabgabepreis) vom Honorarsatz ab, und man erhält nur etwa die Hälfte. Das betrifft auch alle Nebenrechte.
4. Autoren sollten für Verleger wie Kinder sein. Sie sind eine Art Schutzbedürftige. Werden sie betrogen, betrügt man seine Kinder. Moralisch absolut verwerflich. Kindern vererbt man etwas, deshalb sollte jeder Vertrag auch Erbschaftsansprüche klären. Wenn nach Opas Tod sein erfolgreichster Roman verfilmt wird, und der Enkel ist durch Opas Vertrag nicht als Erbe der Honorare bzw. Tantiemen eingetragen, wird wieder einmal der Verleger reich und Opas Enkel geht leer aus. Doch man kann auch den Klageweg beschreiten. Schon aus diesem Grund sollten anständige Verleger auf vernünftige Verträge zurückgreifen, denn heute können Autoren die Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen. Ich habe selbst schon einmal als Autor gegen einen relativ großen Verlag geklagt und ganz schnell gewonnen.
5. Verleger sind keine Superhelden, auch sie machen Fehler; nicht jedes Buch schafft es auf die Bestsellerlisten. Bei Problemen sollte man reden, offen sein. Es kann immer mal Schwierigkeiten geben. Nur ein freundschaftliches Verhältnis wird einen langfristigen Erfolg einfahren. Aber niemand sollte sich beschimpfen lassen, so wie es meinen Freunden erging. Auf jeden Fall sollte zuerst der Verleger einlenken, denn er hat den Überblick, auch über die Finanzen. Der Autor muß ihm vertrauen können. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber sogenannte Schlußbestimmungen erfunden, die sich am Ende eines jeden seriösen Vertrages finden (Passus aus den Standardverträgen des Verlags Kirchschlager):
§ 11 Schlußbestimmungen
Soweit dieser Vertrag keine Regelungen enthält, gelten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Rechts der Bundesrepublik Deutschland.
Die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrages berührt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht. Die Parteien sind alsdann verpflichtet, die mangelhafte Bestimmung durch eine solche zu ersetzen, deren wirtschaftlicher und juristischer Sinn dem der mangelhaften Bestimmung möglichst nahekommt.
Zum Schluß noch ein Tipp: Sollte man dennoch unsicher sein, kann man auch einen Schriftstellerkollegen fragen, wie denn seine Erfahrungen mit dem Verlag XY sind (auch einfach mal die bereits veröffentlichten Produkte ansehen). Das Internet macht heute Vieles möglich. Laßt Euch nicht über den Tisch ziehen, von diesem Verleger-”Packzeug”! Michael Kirchschlager, Verleger