Zur Geschichte der Thüringer Rostbratwurst – Von der ersten Erwähnung 1392 bis zum Reinheitsgebot 1432

Und sie gehört doch auf den Rost!

Es ist schon kurios, was man alles über die Thüringer Rostbratwurst oder kurz Bratwurst genannt, lesen kann. Die einen behaupten, sie sei getrocknet wurden, die anderen schreiben, sie sei geräuchert wurden und allen gemein ist, daß sie die Rechnung ohne den Wirt, sprich die historischen Quellen machen.

Die Herkunft der berühmten Thüringer Rostbratwurst schildert folgende, zwar nicht historisch belegbare, aber schöne Geschichte, die beweißt, daß Bratwürste nicht nur nahrhaft sondern auch wehrhaft sind: Mitte des 15. Jahrhunderts entbrannte der sogenannte „Schwarzburger Hauskrieg“ um das in drei Grafschaften zerteilte Schwarzburger Land. Der Kurfürst von Sachsen zog im Jahre 1450 als einer der kriegführenden Herrscher die Ilm aufwärts bis vor das Städtlein Stadtilm, welches er aber nicht erstürmen konnte. Also begann er die Stadt zu belagern und hoffte durch Aushungern den Widerstand der Bürger zu brechen. Fast wäre ihm das auch gelungen, wenn nicht der Ratsmeister Simon Stuff auf eine rettende Idee gekommen wäre. Das letzte Schwein im Ort besaß der Nagelschmied Vogt. Es wurde geschlachtet und zu Bratwürsten verarbeitet. Da jeder Einwohner noch eine erhalten sollte, wurde nur soviel in die Därme gestopft, wie es dafür nötig schien. So entstand auch die Länge der Bratwurst. Sie wurden dann den Belagerern gut sichtbar und vorallem gut riechbar gebraten. Der verlockende Duft zog bis in das Lager des Kurfürsten und verwirrte hier die Sinne der Angreifer. Man kam zu dem Schluß, die Proviantvorräte der Stadtilmer doch falsch eingestuft zu haben und brach die Belagerung erfolgreich ab.

Urkundliche Ersterwähnung 1392

Tatsächlich wird die Rostbratwurst urkundlich erstmalig für den 26. März 1392 erwähnt (u. a. abgedruckt in „Thüringer Burgen im Krieg“, hg. v. Michael Kirchschlager u. Marie Linz, Arnstadt 2018). Ritter Rudolf Schenke fertigt am 26. März 1392 dem Rat von Erfurt über seine Bestallung zum Vogt und Amtmann des Schlosses Kapellendorf einen Revers aus (Quelle: Urkundenbuch Erfurt II, Nr. 1019, S. 734-736.). Darin werden interessante Informationen zur Burg, ihrer Bewaffnung und eben auch über 180 Bratwürste geliefert. Es heißt dazu:

Ich Rudolff Schenke, ettewanne ern Diterichis Schenkin, ritters, deme got gnade, son, bekenne an deseme uffin brive, als mich die ersamen wisin lute, der rad und die stad zcu Erfforte zcu orme voite und amptmanne dez slossis Cappilndorf sacztin, daz sie mir mit deme selbin slosse dese nachgeschrebene stucke und gezcuge geantwurtit habin. (…)

Auf der Fleischlaube inventarisiert er drei Schog Bratwürste = 3 x 60 = 180 Stück!

Uffe der fleyszchloubin drissig stucke bruwis fleyszchis, drie schog bratworste, eyne halbe thunne mit smalcze, vier bachin, zcwene zcobir, zcwu lere thunne.

Würste aus Schweine- und/oder Kalbfleisch sowie Wildpret und Fisch sind schon sehr früh bezeugt, spätestens seit dem 13. Jahrhundert. Es handelte sich zumeist um gekochte oder gebratene Würste. Da die meisten Gerichte des Mittelalters gekocht oder gebraten wurden, liegt es nahe, daß auch die thüringischen Würste auf diese Manier bereitet wurden. Von getrockneten oder geräucherten Würsten berichten die mittelalterlichen Kochbücher und anderen Überlieferungen nichts. Der Rost fand sich in allen Küchen, sowohl der Klöster, Burgen und in den Garküchen der Städte. Man gab die Bratwürste trocken, d. h. ohne Sud, empfahl aber auch schon sie in einer Senfsoße (16. Jh.) zu servieren, wenngleich das Mittelalter eine soßenfreie Zeit war.

Die Fleischrezepte, mit einigen Ausnahmen, gehen von einem frischen Zubereiten der Speisen aus. Zwar kennt man im Mittelalter einige Tricks der Konservierung, z. B. Hirschleber in Honig oder die Haltbarmachung des Kabeljaus als Stockfisch, die Norm – wie heute – dank ausgeklügelter Chemikalien, ist es aber nicht. Geräucherte Bratwürste sind für das Mittelalter bis um das Jahr 1500 nicht verbürgt. Die Därme verwendete man auf vielfältige Weise. Sie gaben z. B. die Hüllen für wunderliche Rieseneier ab oder dienten als Sülzen.

Die älteste Rechnung für Därme für brotin wurstin (Bratwürste) stammt aus dem Jahr 1404 des Jungfrauenklosters in Arnstadt. Schon in der Benennung als „Bratwürste“ kann man die Zubereitungsart unschwer entnehmen. Diese sensationelle Entdeckung, die noch heute als erste Erwähnung für die Thüringer Bratwurst gilt, wurde von dem Arnstädter Archivar Peter Unger entdeckt, der dafür vom Verein der Thüringer Bratwurstfreunde e. V. ausgezeichnet wurde.

Historisches Kochbuch mit zahlreichen kulturhistorischen Informationen, Abbildungen und Rezepten.

Das Reinheitsgebot für die Thüringer Bratwurst von 1432

Bereits 1432 stellen die Fleischhauer der landgräflichen Stadt Weißensee in Thüringen in einer Fleischhauerordnung Regeln für die Brat-, Leber- und anderen Würste auf, die im gleichen Jahr von der Stadt Weimar angefordert und übernommen wird (veröffentlicht im „Thüringer Weihnachtsbüchlein“ von Hubert Erzmann aus Weimar, Verlag Kirchschlager, 2007). Darin wird die Trichinenschau vorgeschrieben und wie die Fleischer das Fleisch zu verkaufen haben. Interessant ist die Bestimmung, daß nur Schweinefleisch verwendet werden darf.

Ouch sullen sie die brotwurste lebirwurste unde andir wurste or iglicher bisundern machen von reynem friszchem fleiszche das nicht fynnecht nach wandelbar ist unde sullen daryn nicht hagken milzcen herzce nyren nach keyn ander ungeferte nach frömde fleisz das sich nicht darzcu geburt hinder wen man das queme der ist der stat zcu busse vorfallin von iglicher wurst bisundern zcwene schillinge denariorum also manche her der gemacht had unde sal darczu der stat gehorsam halden bisz so lange das dii meistre vor on beten unde deme hantwergke sine busse geben.

Übertragen heißt in etwa folgendes: Auch sollen sie die Bratwürste, Leberwürste und anderen Würste von reinem, frischen Fleisch machen, das weder finnig noch wandelbar ist, und sie sollen keine Milzen, Herzen, Nieren noch andere Ungefährde (alles irgendwie Gefährliche, Giftstoffe) noch fremdes Fleisch, welches nicht dazugehört, nehmen. Hinter wen man kommt (ertappt), der ist der Stadt zur Buße (Strafe) verfallen und soll für jede Wurst zwei Schillinge Denariorum (24 Pfennige) zahlen, so viele wie er gemacht hat, und er soll sich an die Gesetze der Stadt halten, so lange, bis die Meister für ihn bitten (Einstellung des Verfahrens) und er dem Handwerk seine Buße gegeben hat.

Das ist richtig gut und eine kulturhistorische Sensation! Nur leider hat das noch niemand erkannt…

1516 lieferte man Bratwürste auf das Schloß Altenburg, ein schöner Beleg, daß auch der sächsische Hochadel sich dieses „Gerichtes“ erfreute.

Geräuchert wurde, wie es Beschreibungen aus der Renaissance beweisen, seit dem 16. Jahrhundert.

Die gebrühte Rostbratwurst ist ein Überbleibsel des Mittelalters und hatte seine Berechtigung vielleicht in hygienischen Überlegungen. Der heutige Verbraucher zieht allerdings eine frische, ungebrühte Rostbratwurst vor.

Eine Verordnung aus dem Jahre 1613 für das Fleischerhandwerk zu Weimar, Jena und Buttstädt schreibt folgendes vor: „Eine Bratwurst für einen Groschen soll dreiviertel Pfundes von dem Gewicht haben und von lauterem Schweinefleisch gefüllt sein worden, so aber einer oder der Andere Kalbs- oder ander Fleisch dazu nimmt, der soll, so er dessen überführt wird, nicht allein der Würste verlustig sein, sondern auch einen halben Gulden zur Strafe geben.“

Nicht nur heutigentags versuchen Fleischer immer wieder mit der längsten Bratwurst die Menschen zu erfreuen und Konkurrenten zu beeindrucken. Bereits am 5. März 1726 trugen die Zittauer Fleischerknechte öffentlich eine Bratwurst von 625 Ellen und 11 Zoll Länge durch die Stadt.

Noch vor wenigen Jahren wurde der Verbraucher in puncto Hygiene nicht mehr allein durch mittelalterliche Fleischhauerordnungen geschützt, die jegliche Konservierungsmittel ausschlossen und strengstens verboten hatten, sondern von der sogenannten „Deutschen Hackfleischordnung“. Diese schrieb vor, die Bratwürste in gekühltem Zustand (4-7 Grad, Kühlschrank) und ohne Unterbrechung der „Kühlkette“ auf den Rost zu bringen. Ein Einlegen der Bratwürste, was die Geschmeidigkeit der Därme und den Geschmack erhöht, war strengstens verboten. Ein Verstoß endete mit einer Anzeige, die Bratwürste mußten als Sondermüll entsorgt werden (ein Verfüttern an Hunde war ebenfalls strengstens verboten), der Aussage vor der Kriminalpolizei (wofür ein Beamter schon einmal von A nach B fahren mußte), einer Geldstrafe oder der Niederschlagung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft wegen geringfügiger Bedeutungslosigkeit. Und das für eine Handvoll Bratwürste im Wasser! Empfohlen wurden gebrühte Bratwürste und wenn alle Fleischer und Bräter dieser Empfehlung gefolgt wären, wäre die Original Thüringer Rostbratwurst, die man Markenrechtlich vor der EU hat schützen lassen, zum Aussterben verdammt.

Summa Summarum kann festgehalten werden, daß die Bratwurst auf dem Rost landete, und das schon bei der Burgbesatzung der Burg Kapellendorf seit 1392! Im Anschluß drei Rezepte aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die illustrieren mögen, daß unsere Vorfahren über ein gefülltes Arsenal an Würsten verfügten.

Eine gute gefüllte Wurst (1445)

Willst du eine gute gefüllte Wurst machen, so nimm den hinteren Darm von einem Kalb und schabe ihn mit heißem Wasser aus und mache ihn rein und hacke die Lunge und Speck und würze es gut und fülle es in den Darm. Auch nimmt man gern das Hirn und Eierdotter, Petersilie und Milch dazu, dann heißt es Hirnwurst. Danach siede sie und brate sie dann auf einem Rost und gib es trocken (ohne Soße) oder mach eine gelbe Soße (gele bruwe) und gieße ein wenig Wein darüber und würze es.

clapworst von einer Leber (1445)

Willst du eine Presswurst aus einer Leber machen, so nimm die Leber und kacke sie klein, solange sie frisch und roh ist und hacke Eier darein (gekochte) und Weißbrot und würze es und färbe es und und winde es in ein Netz und brate es.

Eine gute Wurst zu machen (1550)

Willst du eine gute Schweinwurst machen, so nimm Reis, soviel dich dünkt das es genug sei, wasche ihn rein aus und nimm gut gequelltes Schweinefleisch darunter, schneide es fein in Würfel, nimm darunter guten Pfeffer, Milchrahm oder Sahne und Majoran, salze es, menge es untereinander und fülle es in die Würste oder Schweinemagen und laß das gut sieden.